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Gesamte Regio - Stuttgart

10. Dec 2014 - 17:05 Uhr

Berufsverbote wirken noch immer nach - GEW will komplette Rehabilitierung der Betroffenen

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) setzt sich am
heutigen (10.12.) Tag der Menschenrechte für eine vollständige Rehabilitierung
der Berufsverbotsopfer in Baden-Württemberg ein und verlangt eine entsprechende
Entscheidung im Landtag.

„Radikalenerlass und Berufsverbote waren ein verhängnisvoller politischer
Fehler, der sich nicht wiederholen darf. Er hat das Leben zahlreicher Menschen
massiv beeinträchtigt, ihnen Berufs- und Lebenschancen genommen. Der Staat
schuldet den Opfern bis heute eine Rehabilitation. Die Demokratie hat erheblichen
Schaden genommen. Wir erwarten ein deutliches Zeichen der grün-roten
Landesregierung und die schon lange versprochene wissenschaftliche Aufarbeitung
der Fälle in Baden-Württemberg“, sagte am Mittwoch (10.12.) Doro
Moritz, GEW-Landesvorsitzende bei einer Kundgebung auf dem Stuttgarter
Schlossplatz.

Die GEW schlägt vor, dass wie in anderen Bundesländern diese Entscheidung
im Landtag getroffen werden soll:

„Der Landtag von Baden-Württemberg fordert die Landesregierung auf, den
Beschluss der Landesregierung Baden-Württemberg über die Pflicht zur
Verfassungstreue im öffentlichen Dienst vom 2. Oktober 1973 aufzuheben. Der
Landtag bittet die Landesregierung, in geeigneter Weise mit den Betroffenen
einen Weg zur Aufarbeitung, Rehabilitierung und Entschädigung zu suchen.“

Die GEW geht davon aus, dass es nach wie vor unzulässige Anfragen der
Einstellungsbehörden beim Verfassungsschutz gibt.

Folgen des Radikalenerlasses

Durch den „Radikalenerlass“ vom 28. Januar 1972 kam es in Deutschland wohl
zu 3,5 Millionen Regelanfragen beim Verfassungsschutz, 11.000 Verfahren
wegen Tätigkeitsverbot, 2.200 Disziplinarverfahren, 1.250 Ablehnungen von
Bewerberinnen und Bewerbern sowie 265 Entlassungen aus dem öffentlichen
Dienst. Verdächtig machte sich zum Beispiel, wer per Unterschrift den Kampf in
Chile gegen den Diktator Augusto Pinochet unterstützte, wer im Anti-Strauß-
Komitee mitarbeitete oder Pazifist war oder wer Mitglied in „kommunistischen“
Organisationen war.

Zwar verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die
Bundesrepublik 1995 in einem Berufsverbotsfall. Er nannte die deutsche
Berufsverbotspraxis einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention
(EMRK).

Doch der Realschullehrer Michael Csaszkóczy musste sich noch zwischen
2004 und 2007 des Extremismusverdachtes erwehren, den Baden-
Württemberg und Hessen wegen seines Engagements in antifaschistischen
Gruppen gegen ihn erhoben hatten, und auf Einstellung klagen. Mit Unterstützung
der GEW erreichte er seine Einstellung, wurde verbeamtet und musste
von der CDU/FDP-Landesregierung für die Zeit des Berufsverbots entschädigt
werden.
..................................................................................................

(Es gilt das gesprochene Wort!)

Rede der GEW-Landesvorsitzenden Doro Moritz
Kundgebung am Tag der Menschenrechte
Mittwoch 10. Dezember 2014, 15 Uhr

Endlich einen Schlussstrich unter die Politik der Berufsverbote ziehen!

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
liebe Freundinnen und Freunde,
heute begehen wir den Tag der Menschenrechte. Er ist der Gedenktag zur Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 durch die Generalversammlung
der Vereinten Nationen verabschiedet wurde. Auch der Friedensnobelpreis wird am
heutigen 10. Dezember, dem Todestag Alfred Nobels, in Oslo verliehen.
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Das ist der zentrale
Satz, der das Zusammenleben in der Gesellschaft im privaten und politischen Raum, im
Frieden und in gewalttätigen und kriegerischen Auseinandersetzungen, der das Handeln
jedes und jeder Einzelnen und der politisch Verantwortlichen bestimmen muss. Es geht um
rechtswirksamen Schutz gegen erlittenes Unrecht.

Menschenrechte werden vielfach verletzt. Dabei klagen wir vor allem
Menschenrechtsverletzungen außerhalb von Deutschland an. Wir fordern ein
entschlossenes Vorgehen gegen Folter in der Welt. Wir fordern den Stopp von
Waffenexporten in Konfliktländer. Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche vor
Menschenrechtsverpflichtungen aufgrund von bewaffneten Konflikten und anderen
Gewalttaten geschützt werden. Asylsuchende Flüchtlinge weisen uns auf einen aktuellen
Brennpunkt von Menschenrechtsproblemen hin.

Wir in Deutschland leben in einer Demokratie. Wie sieht es bei uns mit den
Menschenrechten aus?

Am 28. Januar 1972 beschlossen der damalige Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) und die
Regierungschefs der Länder: "Nach den Beamtengesetzen in Bund und Ländern darf in das
Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für
die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt."

Beamte seien verpflichtet, sich aktiv innerhalb und außerhalb des Dienstes für die
Erhaltung dieser Grundordnung einzusetzen. Das waren die „Grundsätze zur Frage der
verfassungsfeindlichen Kräfte im Öffentlichen Dienst“.

Während Brandt Ende der 1980er-Jahre den Radikalenerlass als „Irrtum“ bezeichnete und
einige SPD-regierte Länder fortan auf die Gesinnungsschnüffelei verzichteten, ging und
geht sie anderswo weiter. Zwar verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
(EGMR) die Bundesrepublik 1995 in einem Berufsverbotsfall.

Doch der Realschullehrer Michael Csaszkóczy musste sich noch zwischen 2004 und 2007
des Extremismusverdachts erwehren, den Baden-Württemberg und Hessen wegen seines
Engagements in antifaschistischen Gruppen gegen ihn erhoben hatten, und auf
Einstellung.

Ziel des sogenannten Radikalenerlasses war: Vor allem "linksverdächtige" Menschen sollten
aus dem öffentlichen Dienst ferngehalten werden.

3,5 (nach anderen Quellen 1,4) Millionen Regelanfragen beim Verfassungsschutz, 11.000
Verfahren wegen Tätigkeitsverbot, 2.200 Disziplinarverfahren, 1.250 (nach anderen
Quellen 1.100) Ablehnungen von Bewerberinnen und Bewerbern sowie 265 Entlassungen
aus dem öffentlichen Dienst waren die Folge. Darunter sehr viele Lehrerinnen und Lehrer,
GEW-Mitglieder.

Die Kampfbereitschaft des Staates gegen angebliche Verfassungsfeinde verknüpfte sich mit
der Angst im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) vor der Unterwanderung durch linke
Gewerkschaftsfeinde. Ausdruck fand dies 1973, als der DGB-Bundesvorstand die
Unvereinbarkeitsregelung gegenüber der NPD um eine zweite ergänzte. Sie richtete sich
gegen als linksextrem eingestufte Organisationen wie die „Rote Gewerkschaftsopposition“
oder diverse K-Gruppen.

Die Regelung war eine Aufforderung an die Einzelgewerkschaften, ihre Satzungen
anzupassen, um verdächtigte Mitglieder ausschließen zu können. Die GEW unter Vorsitz
von Erich Frister kam dem im Juni 1974 nach. Die Unvereinbarkeitsbeschlüsse waren eine
Zerreißprobe für die Organisation. Sie führten zu Streit, Spannungen und Spaltungen.

1989 wurde der Paragraf 8.4 d) wieder aus der GEW-Satzung gestrichen.
Verdächtig machte sich, wer per Unterschrift den Kampf in Chile gegen den Diktator
Augusto Pinochet unterstützte, wer im Anti-Strauß-Komitee mitarbeitete oder Pazifist war.

Von der Mitgliedschaft in ausdrücklich „kommunistischen“ Organisationen gar nicht zu
reden. Dafür bot der „Radikalenerlass“ vom 28. Januar 1972 die juristische Grundlage. Oft
gab die GEW einem Mitglied Rechtsschutz, doch manche wurden als linksextremistisch
ausgeschlossen.

Bereits der Gewerkschaftstag 1980 in Mainz hatte sich dann dafür stark gemacht, die
Unvereinbarkeitsbeschlüsse aufzuheben. Er forderte den GEW-Hauptvorstand auf, sich
dafür im DGB-Bundesvorstand einzusetzen.
Der Radikalenerlass rief – auch international – große Empörung hervor. Schon 1987
verurteilte die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) der UNO die Berufsverbote als
Verstoß gegen die Konvention 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf.

Die Betroffenen sind bis heute nicht rehabilitiert. Sie sind auch nicht für das ihnen zuteil
gewordene Unrecht entschädigt worden.

1995 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die deutsche
Berufsverbotspraxis als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
verurteilt. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund hat inzwischen die
Unvereinbarkeitsbeschlüsse aus seiner Satzung gestrichen.

Der GEW-Hauptvorstand auf Bundesebene hat den 40. Jahrestag des Radikalenerlasses
zum Anlass genommen, bei einer großen Veranstaltung in Göttingen die Geschichte der
Berufsverbote aufzuarbeiten und dabei die Politik in Bund, Ländern und Kommunen
aufgefordert, demokratisches Engagement zu fördern und die menschenunwürdige
Gesinnungsschnüffelei gegen politisch aktive Menschen mit linker Orientierung zu
stoppen.

Der damalige GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne betonte: " Politik muss aus den Fehlern der
Vergangenheit lernen und demokratisches Denken in einer pluralistischen Gesellschaft
zulassen und stärken. Radikalenerlass und Berufsverbote waren ein verhängnisvoller
politischer Fehler, der sich nicht wiederholen darf. Er hat das Leben zahlreicher Menschen
massiv beeinträchtigt, ihnen Berufs- und Lebenschancen genommen. Der Staat schuldet
den Opfern bis heute eine Rehabilitation. Die Demokratie hat erheblichen Schaden
genommen." Das kann ich nur in vollem Umfang unterstreichen! Thöne kritisierte, dass
die Devise der Verfassungsschutzbehörden und vieler Politiker offenbar immer noch laute:
"Der Feind steht links.“

Mehr als 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren nach Göttingen gekommen, sehr
viele waren betroffen von Berufsverboten.

Sie schilderten in den Einzelfallberichten, was sie erlebt und erlitten haben. Einige
Kolleginnen und Kollegen schilderten die wissenschaftlichen Prinzipien Hohn sprechende
Beurteilungen von Prüfungsarbeiten (zur 2. Staatsprüfung), die dazu führten, dass sie
aufgrund des angeblich objektiven Leistungskriteriums nicht eingestellt werden konnten.
Andere beschrieben den zutiefst undemokratischen Charakter der erlebten
Anhörungsverfahren und/oder die massive Behinderung gewerkschaftlicher und politischer
Arbeit seitens der staatlichen Bürokratie. Das war für weitere Kolleginnen und Kollegen zu
einseitig, die die Verantwortung der eigenen Gewerkschaft einbezogen wissen wollten. Für
sie hatte die GEW-Führung die Verbote nicht nur nicht bekämpft, sondern massiv
unterstützt, indem sie die Unvereinbarkeitsbeschlüsse eingeführt, damit den Kollegen die
Rechtshilfe in den anhängigen Verfahren vorenthalten oder entzogen, wenn sie nicht gar
manche Berufsverbote – explizit so gewollt – in Gang gesetzt und direkt vorbereitet hatten.

Der Vorsitzende Ulrich Thöne brachte seine Betroffenheit, auch im Namen anderer
Vorstandsmitglieder, zum Ausdruck, die aus den Schilderungen der Opfer des
Radikalenerlasses deutlich wurden, insbesondere von der direkten Verflechtung der GEW
über die Unvereinbarkeitsbeschlüsse in die Berufsverbote. Auch deshalb war die Tagung
längst überfällig gewesen.

Die Berufsverbote waren nicht nur ein Akt der Gesinnungsschnüffelei. Sie haben in vielen
Fällen zu erheblichen Beeinträchtigung von Biographien geführt, zu psychische
Erkrankungen, sie haben Berufsperspektiven zerstört, sie führen Betroffene in Altersarmut.
Deshalb ist eine moralische und finanzielle Rehabilitation der Betroffenen notwendig.

Der 40. Jahrestag war für die GEW nicht nur ein Tag der Erinnerungen mit den
Betroffenen. Die GEW hat sich auch mit ihrer Rolle und ihrem Handeln in der Zeit der
Berufsverbote auseinandergesetzt. Sie hat sich bei den Betroffenen entschuldigt und
folgenden Beschluss gefasst:

Die GEW bewertet den „Radikalenerlass“ und die darauf beruhende Politik der
Berufsverbote als eine politische und rechtsstaatlich falsche Entscheidung, die eine
verhängnisvolle gesellschaftliche Entwicklung in Gang gesetzt hat.
Die Politik der Berufsverbote richtete sich gegen gesellschaftliche Alternativen zum
kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem und versuchte, diese zu
kriminalisieren. Die Politik der Berufsverbote führte zu einer Gesinnungsschnüffelei, die
Millionen Menschen betraf und verbreitete ein Klima der politischen Einschüchterung.
Die Politik der Berufsverbote war und ist verfassungswidrig.

„Das eklatante Versagen der Sicherheitskräfte im Fall der rechtsextremistischen Zwickauer
Terrorzelle fördert einen blinden Fleck gegenüber der Gefahr von rechts zu Tage“,
unterstrich Thöne. Es sei an Zynismus kaum zu überbieten, dass sich auch jene, die sich im
Kampf gegen rechts engagieren, einem Generalverdacht der Verfassungsuntreue ausgesetzt
sähen. Das trifft in besonderem Maß auf Michael Csaszkóczy zu.
Die GEW fordert eine umfassende Rehabilitierung der vom sogenannten „Radikalenerlass“
vom 28. Januar 1972 und insbesondere der infolgedessen von Berufsverboten betroffenen
Menschen durch Bund, Länder und Kommunen.

Die GEW erwartet von der Politik, diese Fehlentscheidung einzugestehen und Vorschläge
für Rehabilitationsmaßnahmen und Entschädigungsleistungen vorzulegen.

Die GEW unterstützt die Forderung, die auf dem Radikalenerlass begründeten Akten dem
Verfassungsschutz zu entziehen und sie an das Bundesarchiv weiterzuleiten, um sie den
Betroffenen und der Wissenschaft zugänglich zu machen.
Die GEW fordert die Bundesregierung auf, die sogenannte „Extremismusklausel“
unverzüglich zu streichen. Wir kritisieren, dass verantwortliche politische Kräfte weiterhin
den Eindruck zu vermitteln suchen, die „Feinde der Demokratie“ stünden links. In diesem
Zusammenhang diente die Berufsverbotepolitik schon immer der Blindheit auf dem
rechten Auge.

Die GEW bedauert die sogenannten Unvereinbarkeitsbeschlüsse und bittet die davon
betroffenen um Entschuldigung.

In einem Dringlichkeitsantrag stellte die GEW Baden-Württemberg bei der
Landesdelegiertenversammlung im Jahr 2012 fest, dass die in den Jahren 1971 bis 1989 im
politischen Umfeld der Berufsverbote erfolgten Gewerkschaftsausschlüsse demokratischer
und linker politischer Aktiver schwerwiegende politische Fehler und schwere Verstöße
gegen den Grundsatz gewerkschaftlicher Solidarität waren. In dem Bewusstsein, dass der
Großteil des durch diese Ausschlüsse verschuldeten Leids nicht wieder gut zu machen ist,
bittet die GEW Baden-Württemberg ihre ausgeschlossenen Mitglieder sowohl für den
Ausschluss selbst und die dadurch verschuldeten Folgen als auch für die späte
Entschuldigung um Verzeihung.

Die Ausschlüsse werden für nichtig erklärt. Die betroffenen Mitglieder genießen alle
Rechte, die sich aus einer bis heute ununterbrochen fortdauernden Mitgliedschaft ergeben,
es sei denn, dass sie nach Kenntnisnahme dieses Beschlusses ausdrücklich darauf
verzichten.
Soweit die betroffenen Mitglieder das wünschen, wird ihre Mitgliedschaft künftig
beitragsfrei fortgeführt.

Landesregierung und Landtag werden aufgefordert, die notwendigen Maßnahmen zu
treffen, die zur Rehabilitierung und Entschädigung derjenigen demokratischen und linken
Aktiven erforderlich sind, die von Berufsverboten betroffen waren oder sind.

Und die GEW Baden-Württemberg solidarisierte sich selbstverständlich mit Michael
Csaszkóczy aus Heidelberg, dessen unglaublich drastisches Berufsverbot in der jüngsten
Vergangenheit im Fokus des bundesweiten öffentlichen Interesses stand und steht. Er
braucht und hat auch weiterhin die gewerkschaftliche Unterstützung, weil er - als Beamter
auf Lebenszeit - weiterhin in den Klauen des Verfassungsschutzes ist. Er wird nach mir ja
selbst über seinen Fall berichten.

Eines darf ich an der Stelle klar sagen: Es war ein großer Erfolg für Michael, den er mit
dem gewerkschaftlichen Rechtsschutz erstritten hat, dass er nicht nur verbeamtet wurde,
sondern auch für die Zeit des Berufsverbots entschädigt werden musste.
Der Erfolg war peinlich für die damalige CDU/FDP-Landesregierung. Der
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat entschieden, dass sie anders denkende
Lehrerinnen und Lehrer aushalten muss. Glasklar hat dies das Gericht ausgesprochen. Für
Schulen in einer Demokratie muss das eine Selbstverständlichkeit sein. Das Urteil ist
Politikunterricht für den damaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger und seinen
Kultusminister Helmut Rau (beide CDU.

Die GEW und wir alle brauchen noch viel Zeit und Arbeit, um den Beschluss von
Göttingen, insbesondere die Forderung nach Rehabilitation, Wirklichkeit werden zu lassen,
um die negativen Folgen für die Betroffenen aufzuheben.
Die GEW Baden-Württemberg hat sich nach der Veranstaltung in Göttingen auf den bis
heute noch nicht erfolgreichen Weg gemacht, die Landtagsabgeordneten, den
Ministerpräsidenten, den Innenminister und den Kultusminister zum Handeln
aufzufordern.

Wir haben dazu aufgefordert, dass im Landtag von Baden-Württemberg eine ähnliche
Diskussion und Beschlussfassung stattfindet wie dies in Bremen der Fall war.
Der Beschluss der Bremer Bürgerschaft vom 10. November 2011 lautet:
„Die Bürgerschaft fordert den Senat auf, die 'Richtlinien über das Verfahren bei
Feststellung des Erfordernisses der Verfassungstreue von Bewerber/innen für den
öffentlichen Dienst', Fassung vom Februar 1983, aufzuheben. Die Bürgerschaft bittet den
Senat, in geeigneter Weise mit den Betroffenen einen ideellen Abschluss zu suchen.“
Dieser Beschluss wurde in Bremen mit den Stimmen aller Fraktionen einstimmig
verabschiedet!

In Baden-Württemberg findet bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst nach wie vor
ein mit "Belehrung und Erklärung" überschriebenes Formular aus dem Jahr 1973
Verwendung, obwohl der Landtag von Baden-Württemberg schon 2000 beschlossen hatte,
die bisherige Praxis zu überprüfen. Es ist nach Meinung der Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft Baden-Württemberg aus demokratischer Sicht dringend geboten, im badenwürttembergischen
Landtag einen Beschluss zu fassen, der einen ähnlichen Wortlaut wie in
Bremen haben könnte:

„Der Landtag von Baden-Württemberg fordert die Landesregierung auf, den 'Beschluss der
Landesregierung Baden-Württemberg über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen
Dienst' vom 2. Oktober 1973 und alle in diesem Sinn erlassenen und diese Praxis regelnden
Verwaltungsvorschriften aufzuheben und die entsprechenden Formulare nicht mehr zu
verwenden. Der Landtag bittet die Landesregierung, in geeigneter Weise mit den
Betroffenen einen Weg zur Aufarbeitung, Rehabilitierung und Entschädigung zu suchen.“

Wir haben die Landesregierung gebeten, eine Initiative für einen entsprechenden Beschluss
des Landtags von Baden-Württemberg zu ergreifen und unser Anliegen in Ihrem
politischen Umfeld zu unterstützen.

Denn auch die Zweifel an einem Verzicht auf „Verdachtsanfragen“ bestehen weiter:
Formal darf nur bei massiven Zweifeln der Einstellungsbehörden beim Verfassungsschutz
nur nach gerichtsverwertbaren Tatsachen gefragt werden. Dem muss eine schriftliche und
schlüssige Begründung beigefügt sein und dies muss den Betroffenen auch mitgeteilt
werden. Der Fall Michael C. hat gezeigt, dass die Praxis anders verläuft.

Das war unser Brief.

Die Reaktionen:

Kultusministerium, Staatssekretärin von Wartenberg:
Seit 1992 findet keine Regelanfrage mehr statt bei der Einstellung von Beamtinnen und
Beamten. Das Formular „Belehrung und Erklärung“ entspricht der Rechtslage. Keine
Aussage zur Rehabilitation der Betroffenen.

CDU-Fraktionsvorsitzender Hauk: „Die CDU-Landtagsfraktion tritt politischem
Extremismus von rechts wie von links entschieden entgegen. … „Daher wäre eine
Aufhebung des Radikalenerlasses zum jetzigen Zeitpunkt ein falsches Signal an diese
Kräfte.“

Innenminister Gall: „Soweit Einstellungsbewerberinnen und Einstellungsbewerber in der
Praxis eine Erklärung zur Verfassungstreue unterschreiben müssen, ist dies kein
Überbleibsel des sogenannten Radikalenerlasses, sondern entspricht der geltenden
Rechtslage.“ Auch hier kein Wort zur Rehabilitation und Entschädigung der Betroffenen.

Ministerpräsident Kretschmann macht deutlich, dass der freiheitliche Verfassungsstaat
grundsätzlich nicht die Gesinnung seiner Bürgerinnen und Bürger ermitteln darf, denn
darin sind diese frei. Er betont, dass der Staat keine Gesinnungsschnüffelei betreiben darf
und räumt ein, dass dies in der Praxis bis 1992 teilweise der Fall war. Er schreibt weiter:
„Allerdings kann die heutige Landesregierung besonders den Forderungen nach einer
vollumfänglichen Rehabilitierung nicht nachkommen, unter anderem da aufgrund
fehlender Unterlagen eine Einzelfallprüfung nicht mehr zu gewährleisten ist. Die dazu
notwendigen Unterlagen sind entsprechend den rechtlichen Vorgaben zur Löschung nicht
mehr vorhanden.“ Er schreibt weiter, dass die Landesregierung den 40. Jahrestag des
sogenannten Radikalenerlasses zum Anlass nehmen wird, die Vorgehensweise und den
Umgang mit den damaligen Regelungen zur Prüfung der Verfassungstreue wissenschaftlich
aufzuarbeiten. Wir prüfen derzeit, in welchem Formal das möglich ist, schreibt der
Ministerpräsident.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde,
damit lassen wir uns nicht abspeisen. Die Rehabilitation ist offenbar kein Thema für die
Landesregierung. Das muss sich ändern!

Und die wissenschaftliche Aufarbeitung? Sie findet entweder hinter verschlossenen Türen
oder gar nicht statt. Denn mir ist bis heute gar nichts bekannt. Die Politik muss sich diesem
Thema stellen, auch deshalb stehen wir heute hier!

Demokratie ist ein hohes Gut! Sie lebt von mündigen Bürgerinnen und Bürgern, die sich
aktiv für Gerechtigkeit, Chancengleichheit, für die im Grundgesetz festgelegten
Grundrechte und staatsbürgerlichen Rechte, gegen Diskriminierung in einer pluralistischen
Gesellschaft einsetzen und einsetzen können.

Die Grundlagen dafür werden in den Familien und in der Gesellschaft und gang besonders
in der Schule gelegt. Deshalb braucht Schule Lehrkräfte, die bereit sind konsequent als
Vorbilder für diese Ziele einzustehen und dabei auch unbequem sein können und dürfen.

Deshalb werden wir uns gemeinsam für die Aufarbeitung der Berufsverbote-Praxis
einsetzen, die ein im Kern demokratiefeindliches Vorgehen war. Und wir werden die
Rehabilitation der Opfer gemeinsam mit Nachdruck verfolgen!
Ich danke euch allen für euren Einsatz! Für eure Zivilcourage!
Ich wünsche uns allen viel Erfolg!

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Das ist es, was wir
für das Leben aller durchsetzen wollen. Nicht mehr und nicht weniger!
Information:
Die so genannte „Extremismusklausel“ verlangt von Einrichtungen, die Mittel für Projekte
gegen den Rechtsextremismus aus dem Bundeshaushalt beantragen die Abgabe einer
Erklärung. Diese beinhaltet ein schriftliches Bekenntnis zur "freiheitlich demokratischen
Grundordnung", eine Verpflichtung der Einrichtungen, bei ihrer Tätigkeit den Anschein
der Unterstützung "extremistischer Strukturen" auszuschließen so-wie ausschließlich mit
solchen Partner zu kooperieren, die die "Ziele des Grundgesetzes" teilen.
Die sog. Unvereinbarkeitsbeschlüsse des DGB (Beschl. vom 3. Oktober 1973) sehen vor,
dass die Tätigkeit für oder die Unterstützung von linksextremistischen Parteien,
Vereinigungen und Gruppierungen, die zum Teil namentlich genannt werden, unvereinbar
mit der Mitgliedschaft in einer DGB-Gewerkschaft sind und die Mitgliedsgewerkschaften
des DGB entsprechende organisationspolitische Schlussfolgerungen bis hin zur
Satzungsänderung zu ziehen hätten.

Die GEW verweist in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Gewerkschaftstages
von 1980, in dem eine Aufhebung der Unvereinbarkeitsbeschlüsse von 1973 gefordert wird,
weil diese „die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften in Frage stellen“ und „selbst
Gesinnungsschnüffelei in den eigenen Reihen“ zur Folge hatten. Die GEW hat 1989 den
Verweis auf die Unvereinbarkeitsbeschlüsse des DGB in § 8 Abs. 4 ihrer Satzung
gestrichen.

(Presseinfo: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg, 10.12.2014)


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