In den letzten Jahren streiften immer wieder einzelne Luchse durch den Schwarzwald. Im Rahmen des sogenannten Luchsmonitorings konnten bereits einige dieser Tiere mit Unterstützung der Jägerschaft fotografiert oder durch ihre Spuren bestätigt werden. Doch was diese machten und wohin sie „verschwunden“ sind, konnte bisher nicht beobachtet werden. In der vergangenen Woche bot sich erstmals die Gelegenheit, diese Wissenslücke zu füllen. Nachdem die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) ein durch den Luchs getötetes Schaf bestätigt hatte, machte sie sich auch gleich an die Vorbereitungen für die Besenderung dieses Pinselohrs. Einem Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der FVA in Freiburg gelang es beim ersten Versuch, einen in Freiheit lebenden Luchs im Schwarzwald mit einem Halsbandsender auszustatten. „Wir konnten den männlichen Luchs bei seiner Rückkehr an das von ihm getötete Beutetier betäuben, untersuchen und anschließend mit einem Senderhalsband wieder in die Freiheit entlassen“, berichtet Micha Herdtfelder von der FVA. Über das Halsband ist es nun möglich, den Aufenthaltsort des Tieres regelmäßig zu ermitteln. Damit kann u.a. die Fläche festgestellt werden, die dieser Luchs im Schwarzwald als Lebensraum nutzt, welche Tiere er bevorzugt erbeutet und ob er längerfristig im Schwarzwald bleiben wird. In benachbarten Ländern sind die Reviere von Luchsen häufig mehrere hundert Quadratkilometer groß. „Ohne Halsbandsender ist es fast unmöglich, die Gewohnheiten dieser großräumig umherstreifenden Tiere zu untersuchen“, so Herdtfelder. Um die Herkunft des Luchses festzustellen, wurden beim Fang DNA-Proben genommen, die nun mit den Daten aus dem Luchsvorkommen im Schweizer Jura abgeglichen werden. Dort wurden vor über 30 Jahren in einem Auswilderungsprojekt Luchse wieder angesiedelt. Seitdem besuchen immer wieder einzelne männliche Tiere den benachbarten Schwarzwald.
Obwohl Luchse Einzelgänger sind, bleiben sie nur ungern ohne Anschluss an ein benachbartes Tier über längere Zeit in einer Region. Auch in diesem Fall gehen die Experten davon aus, dass der Luchs mittelfristig wieder abwandern wird. Ein Ziel der Besenderung ist daher, die Wanderrouten der Luchse nachvollziehen zu können. „Die letzten Jahre haben gezeigt, dass einzelne Luchse durchaus in der Lage sind, aus dem Schweizer Jura in den Schwarzwald zu ziehen. Welchen Weg sie dabei nehmen, ist für die Vernetzung der Lebensräume von großer Bedeutung“, berichtet Herdtfelder.
In der Arbeitsgruppe Luchs und Wolf beschäftigen sich zahlreiche Verbände seit Jahren mit dem Luchs und seiner möglichen Rückkehr. Für den besenderten Luchs hat der Landesjagdverband Baden-Württemberg (LJV) die Patenschaft übernommen. „Wir Jäger wollen damit ein Zeichen für die Akzeptanz von zuwandernden Luchsen setzen“, sagt Klaus Lachenmaier vom LJV. „Gerade für uns Jäger bietet die Besenderung die bisher einmalige Gelegenheit, das Verhalten dieser Tiere zu studieren“. Dass es überhaupt zu einer spürbaren Veränderung des Verhaltens der anderen Wildtiere kommt, wäre laut Lachenmaier auch bei mehreren Luchsen in einer Region eher unwahrscheinlich. „Luchse sind für uns keine Konkurrenz. Sie erbeuten aufgrund der großen Streifgebiete deutlich weniger als wir Jäger“, ergänzt Michael Rüttiger vom Ökologischen Jagdverband.
Michael Nödl vom Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV) hat Bedenken: „Wenn Luchse Schafe und Ziegen töten, muss gehandelt werden. Sollte sich dieser Luchs auf Nutztiere spezialisieren, fordern wir wirksame Maßnahmen, die weitere Übergriffe auf Nutztiere verhindern“. Gerade in diesem speziellen Fall wurde die Besenderung nur möglich, da der Luchs zum wiederholten Mal ein Schaf auf einer Weide erbeutet hatte. In solchen Fällen bleiben Landwirte nicht auf ihrem finanziellen Schaden sitzen: Im Jahr 2007 wurde von verschiedenen Jagd- und Naturschutzverbänden gemeinsam ein freiwilliger Entschädigungsfonds eingerichtet, der nun in diesem Fall erstmals zum Einsatz kommt. „Wir hoffen jetzt natürlich, dass dieser Luchs nicht vom Naturschutz zum Anlass genommen wird, zu seinem angeblichen Schutz neue Verbote und Bewirtschaftungseinschränkungen gegen die Grundeigentümer auszusprechen“, so Michael Nödl. Auch Andre Baumann, Vorsitzender des Naturschutzbundes Baden-Württemberg (NABU) betont, dass Schaf- und Ziegenhalter bei Luchsschäden nicht alleine gelassen werden dürfen.
Trotz dieser Überlegungen und Bedenken ist ein Luchs im Schwarzwald für sehr viele Bürgerinnen und Bürger eine spannende und faszinierende Tierart. Durch einen Luchs erscheint der Schwarzwald ein Stück wilder. Insbesondere der NABU sowie die Luchs-Initiative Baden-Württemberg heißen den Luchs willkommen. Beide setzen sich schon seit Jahrzehnten für die Rückkehr der großen Katze ein. „Luchse gehören zum Schwarzwald wie der Bollenhut“ sagt der Vorsitzende der Luchs-Initiative, Peter Willmann. Eine spannende Schwarzwaldgeschichte mit dem Hauptdarsteller Luchs hat begonnen.
(Gemeinsame Pressemitteilung von FVA, LJV, ÖJV, BLHV, NABU und Luchsinitiative e.V. vom 16.4.15)
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Stadtkreis Freiburg - Freiburg
16. Apr 2015 - 15:30 UhrSeltener Gast im Schwarzwald: Erstmals Luchs in Baden-Württemberg unter genauer Beobachtung - "Pinselohr" durch Team der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg mit Halsbandsender ausgestattet
Fotoquelle: FVA Baden-Württemberg
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