Wie lebten Frauen, die Frauen begehrten, in den Jahren zwischen 1920 und 1970? Auf welche Hindernisse und Diskriminierungen stießen sie insbesondere während der Zeit des Nationalsozialismus und welche Nachwirkungen hatten diese Verfolgungen und Ausgrenzungen in der Zeit nach 1945? Konnte es gelingen, innerhalb der von Politik, Recht, Gesellschaft und Wissenschaft gesetzten Normen nicht-normative Lebensentwürfe zu realisieren? Diesen Fragen gehen Wissenschaftlerinnen der Universitäten Heidelberg und Freiburg in einem interdisziplinären Forschungsprojekt zu lesbischen Lebenswelten im deutschen Südwesten nach. Das baden-württembergische Wissenschaftsministerium fördert das Vorhaben, das von Prof. Dr. Katja Patzel-Mattern und Prof. Dr. Karen Nolte (Heidelberg) sowie Prof. Dr. Sylvia Paletschek (Freiburg) geleitet wird, mit rund 200.000 Euro.
„In der Lebenssituation lesbischer Frauen bündeln sich wie unter einem Brennglas zentrale Aspekte und Strukturen gesellschaftlicher Minderheiten und damit der gesellschaftliche Umgang der Zeit mit Vielfalt. Ihre Lebensgeschichten sollten jedoch nicht allein in einer Geschichte der Diskriminierung und Verfolgung aufgehen“, betont Prof. Patzel-Mattern, Wissenschaftlerin am Historischen Seminar der Universität Heidelberg. Nach den Worten von Prof. Nolte kann die Geschichte frauenliebender Frauen vor allem jenseits der großen Metropolen neue Einblicke in den Wandel von Mentalitäten und Gesellschaft liefern. „Dieser vertiefende Blick ist aufschlussreich für die Frauen- und Geschlechtergeschichte, für die Sexualitäts- und Körpergeschichte, die Wissens- und Medizingeschichte ebenso wie für sozial-, wirtschafts- und politikwissenschaftliche Fragestellungen“, so die Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin, das an der Medizinischen Fakultät Heidelberg angesiedelt ist.
Das aktuelle Forschungsprojekt umfasst drei Teilvorhaben. Prof. Paletschek und ihr Team befassen sich am Historischen Seminar der Universität Freiburg mit Biografien lesbischer Frauen, die in Politik, Gesellschaft und Kultur oder sozialen Bewegungen, insbesondere der Frauen- und Homosexuellenbewegung, aktiv waren. „Wir wollen damit insbesondere ihre Vernetzungen und Kommunikationsräume sichtbar machen“, so die Freiburger Wissenschaftlerin. Die „Grenzen des Privaten“ stehen im Mittelpunkt des von Prof. Patzel-Mattern geleiteten Teilvorhabens. Dabei geht es um die Frage, in welchen rechtlichen, polizeilichen oder fürsorgerischen Zusammenhängen frauenliebende Frauen gezwungen waren, ihre Lebensentwürfe öffentlich zu machen. Wie die Medizin, besonders die Psychiatrie, im Südwesten mit weiblicher Homosexualität umging, wird Prof. Nolte mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive rekonstruieren.
Die Arbeiten im Forschungsprojekt „Alleinstehende Frauen, Freundinnen, Frauenliebende Frauen – Lesbische Lebenswelten im deutschen Südwesten (1920er bis 1970er Jahre) unter besonderer Berücksichtigung der Zeit des Nationalsozialismus“ laufen noch bis Ende 2022.
(Presseinfo: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg - Universität Heidelberg, 16.04.2021)
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16. Apr 2021 - 13:55 UhrLesbische Lebenswelten zwischen 1920 und 1970 - Interdisziplinäres Forschungsprojekt von Wissenschaftlerinnen aus Freiburg und Heidelberg
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